Page 18 - LogReal.direkt_Ausgabe_1_2021
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Logistikimmobilien
Trends: „Es gibt keine Ausrede mehr, eine
Immobilie nicht klimaneutral zu bauen“
Im Krisenjahr 2020 hat die Logistikwirtschaft einen hoch geblieben ist. Einer der Gründe ist der herrschen-
Einbruch von fünf bis sechs Prozent erlebt. Gleichzeitig de Anlagedruck auf der Seite der Immobilieninvestoren.
meldet das Maklerunternehmen CBRE auf dem Markt Im Unterschied zum schrumpfenden Büromarkt gilt
für Logistikimmobilien ein Transaktionsvolumen von Logistik, zusammen mit dem Bereich Wohnen, als ver-
7,6 Milliarden Euro. Das sei der zweithöchste Wert nach gleichsweise stabil und krisensicher. Als Folge kommen
dem Rekordjahr 2017. Andere Makler melden ähnliche vermehrt spekulative oder teil-spekulative Objekte der
Ergebnisse. Über diese und andere Entwicklungen hat Entwickler auf den Markt. Da die A-Standorte keine Flä-
sich LogReal.Direkt mit dem Logistikweisen und Hoch- chen haben, werden mittlerweile B- und C-Standorte
schulprofessor Alexander Nehm unterhalten. für Logistikimmobilien ausgewählt. In einigen Regionen
bleibt abzuwarten, ob die regionale Nachfrage dauer-
? Herr Professor Nehm, wie lassen sich die Rekord-
haft ausreicht.
umsätze der Makler mit der schrumpfenden Logistik-
leistung in Einklang bringen? ? Der E-Commerce ist zweifellos einer der Krisengewin-
ner. Wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung dieses
Alexander Nehm: Logistik als nachgelagerte Dienstleis-
Segments?
tung ist von der jeweiligen Situation der Kundenbran-
che abhängig. Nehmen wir als Beispiel die Bekleidungs- Nehm: E-Commerce ist in der Tat ein Treiber für die
wirtschaft. Der Warenabfluss ist während der Krise Nachfrage nach Logistikimmobilien. Viele stationäre
und der Lockdowns ins Stocken geraten. Gleichzeitig Einzelhändler versuchen, ihr Geschäft ins Internet zu
drängen neue Kollektionen in den Markt und benötigen verlagern. Derzeitige Gewinner in Sachen Ansiedlungs-
Logistikflächen. Die sind aber aufgrund nicht verkaufter erfolg sind dementsprechend u.a. die Regionen Leipzig,
Bestände nicht im notwendigen Umfang vorhanden. Magdeburg und Berlin samt Umland. Dort gibt es ein-
Also entsteht eine kurzfristige Nachfrage nach Lager- fach noch genügend freie Flächen für derlei großvolu-
kapazitäten. Das ist einer der Gründe für die momenta- mige Zentrallager.
nen Flächenumsätze. Der Nachfrageeinbruch bestimm-
Unabhängig vom E-Commerce ist die Neubauentwick-
ter Branchen wird aber unweigerlich kommen. Die Frage
lung im Hinblick auf die Top-Logistikstandorte aktuell
ist nur: wann?
jedoch paradox. Immobilien entstehen nicht dort, wo
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Neu- die größte Nachfrage herrscht, sondern dort wo Fläche
bauvolumen mit rund fünf Millionen Quadratmetern noch verfügbar und bezahlbar ist. Im Süden und Süd-
Dr. Alexander Nehm ist seit Oktober 2020
Professor im Studiengang BWL – Spedition,
Transport und Logistik an der Dualen Hoch-
schule Baden-Württemberg in Mannheim. Zuvor war
er Geschäftsführer der Logivest Concept GmbH, einem
Beratungsunternehmen für Nutzer und Investoren rund
um das Thema Logistikimmobilien und -standorte.
Nehm begann seine Laufbahn bei der Fraunhofer
Arbeitsgruppe für Supply Chain Service SCS in Nürn-
berg. Bis 2014 war er dort Geschäftsführer. Seine Kern-
kompetenzen liegen im Bereich der Quantifizierung und
Analyse der Logistikwirtschaft und deren Standorten
hinsichtlich deren Strukturen, Anforderungen und Po-
tenzialen. Nehm ist Mitglied im Rat der Logistikweisen.
Kontakt: alexander.nehm@dhbw-mannheim.de
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