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Logistikimmobilien




          Trends: „Es gibt keine Ausrede mehr, eine


          Immobilie nicht klimaneutral zu bauen“




           Im  Krisenjahr 2020 hat  die  Logistikwirtschaft einen   hoch geblieben ist. Einer der Gründe ist der herrschen-
           Einbruch von fünf bis sechs Prozent erlebt. Gleichzeitig   de Anlagedruck auf der Seite der Immobilieninvestoren.
           meldet das Maklerunternehmen CBRE auf dem Markt   Im  Unterschied  zum  schrumpfenden  Büromarkt  gilt
           für Logistikimmobilien  ein  Transaktionsvolumen  von   Logistik, zusammen mit dem Bereich Wohnen, als ver-
           7,6 Milliarden Euro. Das sei der zweithöchste Wert nach   gleichsweise stabil und krisensicher. Als Folge kommen
           dem Rekordjahr 2017. Andere Makler melden ähnliche   vermehrt spekulative oder teil-spekulative Objekte der
           Ergebnisse. Über diese und andere Entwicklungen hat   Entwickler auf den Markt. Da die A-Standorte keine Flä-
           sich LogReal.Direkt mit dem Logistikweisen und Hoch-  chen haben, werden mittlerweile B- und C-Standorte
           schulprofessor Alexander Nehm unterhalten.   für Logistikimmobilien ausgewählt. In einigen Regionen
                                                        bleibt abzuwarten, ob die regionale Nachfrage dauer-
           ? Herr Professor Nehm, wie lassen sich die Rekord-
                                                        haft ausreicht.
           umsätze der Makler mit der schrumpfenden Logistik-
           leistung in Einklang bringen?                ? Der E-Commerce ist zweifellos einer der Krisengewin-
                                                        ner. Wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung dieses
           Alexander Nehm: Logistik als nachgelagerte Dienstleis-
                                                        Segments?
           tung ist von der jeweiligen Situation der Kundenbran-
           che abhängig. Nehmen wir als Beispiel die Bekleidungs-  Nehm: E-Commerce ist in der  Tat ein  Treiber für die
           wirtschaft. Der  Warenabfluss ist während der Krise   Nachfrage nach Logistikimmobilien.  Viele stationäre
           und der Lockdowns ins Stocken geraten. Gleichzeitig   Einzelhändler versuchen, ihr Geschäft ins Internet zu
           drängen neue Kollektionen in den Markt und benötigen   verlagern. Derzeitige Gewinner in Sachen Ansiedlungs-
           Logistikflächen. Die sind aber aufgrund nicht verkaufter   erfolg sind dementsprechend u.a. die Regionen Leipzig,
           Bestände  nicht  im  notwendigen  Umfang  vorhanden.   Magdeburg und Berlin samt Umland. Dort gibt es ein-
           Also entsteht eine kurzfristige Nachfrage nach Lager-  fach noch genügend freie Flächen für derlei großvolu-
           kapazitäten. Das ist einer der Gründe für die momenta-  mige Zentrallager.
           nen Flächenumsätze. Der Nachfrageeinbruch bestimm-
                                                        Unabhängig vom E-Commerce ist die Neubauentwick-
           ter Branchen wird aber unweigerlich kommen. Die Frage
                                                        lung  im Hinblick auf  die Top-Logistikstandorte  aktuell
           ist nur: wann?
                                                        jedoch  paradox.  Immobilien  entstehen  nicht dort, wo
           Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Neu-  die größte Nachfrage herrscht, sondern dort wo Fläche
           bauvolumen  mit  rund  fünf  Millionen  Quadratmetern   noch verfügbar und bezahlbar ist. Im Süden und Süd-



                                                                 Dr.  Alexander  Nehm  ist  seit  Oktober  2020
                                                                 Professor im Studiengang BWL – Spedition,
                                                                 Transport und Logistik an der Dualen Hoch-
                                                        schule Baden-Württemberg in Mannheim. Zuvor war
                                                        er Geschäftsführer der Logivest Concept GmbH, einem
                                                        Beratungsunternehmen für Nutzer und Investoren rund
                                                        um das Thema Logistikimmobilien und -standorte.
                                                        Nehm  begann  seine  Laufbahn  bei der  Fraunhofer
                                                        Arbeitsgruppe für Supply Chain Service SCS in Nürn-
                                                        berg. Bis 2014 war er dort Geschäftsführer. Seine Kern-
                                                        kompetenzen liegen im Bereich der Quantifizierung und
                                                        Analyse der Logistikwirtschaft und deren Standorten
                                                        hinsichtlich deren Strukturen, Anforderungen und Po-
                                                        tenzialen. Nehm ist Mitglied im Rat der Logistikweisen.
                                                        Kontakt: alexander.nehm@dhbw-mannheim.de



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