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Logistik
lich darüber informiert, dass bundesweit eine hohe
zweistellige Zahl an Impfzentren eingerichtet werde,
welche die COVID-19-Impfung übernehmen sollten.
Nach und nach sickerte durch, dass es Probleme geben
könnte, bestimmte Impfstoffe bei minus 80 Grad durch
die logistische Prozesskette zu führen. Zudem käme
auch die Bundeswehr bei der Logistik zum Einsatz. Wie
sich das Zusammenspiel von privaten, öffentlich-recht-
lichen und militärischen Akteuren genau darstellt, ist
indessen nicht bekannt. Dies erscheint insofern rele-
vant, als dass bislang solche „PPP-Modelle“ als nicht er-
folgversprechend gelten. Ein Nachweis im aktuellen Fall
steht indessen zumindest aus.
Ingrid Brányik ist Vorsitzende der
Dies gilt auch für die offene Frage, wer die immensen Geschäftsführung der Logistics
Kosten und Risiken der Impfstoff-Logistik trägt. Wird Advisory Experts GmbH, einem
das auf dem Rücken der Krankenversicherten oder der Spin-off der Universität St. Gallen
deutschen Steuerzahler ausgetragen, dies im Lichte in Arbon (Schweiz).
massiver Verdienstkürzungen bzw. -ausfälle weiter Tei-
le der Erwerbstätigen? Wo sind entsprechende Berech-
nungsmodelle und Wirtschaftlichkeitskalküle und zu
welchem Ergebnis kommen sie?
Einen sinnvollen Referenzpunkt für die Produktion und
Logistik von COVID-19-Impfstoffen hätte die Grippe-
saison 2017– 2018 gegeben: Damals waren geschätzte
25.000 Grippetote in Deutschland zu beklagen – allein
in der Wintersaison und nicht auf das ganze Jahr hoch-
gerechnet. Dazu kamen ca. 9 Mio. Arztbesuche, ca.
334.000 Influenza-Fälle sowie ca. 60.000 hospitalisierte
Menschen. Weitgehend unbeachtet von der medialen
Öffentlichkeit wurde von allen Beteiligten hervorragen-
de Arbeit geleistet. Man kann davon ausgehen, dass
Prof. Dr. Wolfgang Stölzle ist
auch die Grippe-Impfung auf diese Eckpunkte ausge-
Geschäftsführender Direktor
richtet wurde, ebenso deren Impfstoff-Logistik. Und es
an der Universität St. Gallen
gab zu keiner Zeit Klagen über eine unzureichende Leis-
(Schweiz) und Mitglied des
tungsfähigkeit der Impfstoff-Logistik, ausgerichtet auf
Wissenschaftlichen Beirats beim
etwa 20 Millionen Dosen Grippe-Impfstoff.
Bundesminister für Verkehr und
digitale Infrastruktur der Bundes-
Die systematische und bedachte Entwicklung eines
republik Deutschland.
Logistikkonzepts für COVID-19-Impfstoffe wäre eine
gute Gelegenheit gewesen, die Leistungsfähigkeit der
Pharmalogistik zu demonstrieren – im Einklang mit der
Entwicklung eines qualitativ hochwertigen und risikoar-
men Impfstoffs, ausgelegt auf diejenigen Zielgruppen,
für die sich – wenn überhaupt – nach eingehender
Prüfung wirklich eine Impfung empfiehlt. Diese Chan-
ce ist vertan. Hingegen holt eine Serie von Skandalen Kontakt
und Vertuschungen die Logistik der politisch nahezu Telefon: +41 71 224 72 80
erzwungenen COVID-19-Impfung ein. Dies hat die pri- E-Mail: wolfgang.stoelzle@unisg.ch
vatwirtschaftlich organisierte Pharma-Logistikbranche https://iscm.unisg.ch
nun wirklich nicht verdient. https://logistics-advisory-experts.ch
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