Von Peter Bergmann, Projektleiter, Alcaro Invest GmbH

Die wachsende Präsenz chinesischer E-Commerce-Akteure ist längst keine Randnotiz mehr. Plattformen wie AliExpress, Temu oder der Fashion-Riese Shein erzielen in Europa Umsätze in Milliardenhöhe; allein Shein setzte 2023 rund 7,7 Milliarden Euro um – ein Zuwachs von 68 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch Fahrzeughersteller wie niu expandieren hierzulande schnell mit ihren Online-Shops. Diese Dynamik hat direkte Folgen: Wo immer große Onlinehändler expandieren, steigt der Bedarf an modernen Lager- und Distributionsflächen. Doch chinesische Akteure ticken in mancher Hinsicht anders als die europäischen oder US-amerikanischen. Wer in der Logistikimmobilien-Branche heute strategische Entscheidungen trifft, muss diese Unterschiede verstehen und entsprechend reagieren.
Integrierte Lösungen statt zersplitterter Strukturen

Chinesische sowie weitere ostasiatische Unternehmen treten im deutschen E-Commerce mit anderen Erwartungen auf, insbesondere was die Struktur ihrer Logistik betrifft. Während hierzulande oft ein Geflecht aus spezialisierten Dienstleistern einzelne Schritte der Lieferkette übernimmt, bevorzugen Player aus Fernost integrierte Standortlösungen. Das heißt: Möglichst viele Prozesse sollen an einem Ort oder in einer Hand gebündelt werden. Statt ein Netz aus vielen kleineren Lagerstandorten aufzubauen, setzen sie zunächst auf wenige zentrale Gateways. Alibaba etwa hat den deutschen Markt lange Zeit von einem großen Logistikzentrum nahe Prag aus bedient. Erst in den letzten Jahren wurden schrittweise eigene Lagerflächen in Deutschland etabliert. Diese fokussierte Skalierung über zentrale Drehkreuze passt zur Strategie vieler chinesischer Anbieter, schnell große Volumina zu bewegen, ohne sich in lokalen Strukturen zu verzetteln.
Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen streben sie extreme Effizienz und Tempo an. In Chinas Heimmarkt sind Lieferzeiten von 24 Stunden üblich; Alibabas Logistikarm Cainiao hat das Ziel formuliert, weltweit Lieferungen binnen 72 Stunden zu ermöglichen. Um solche Geschwindigkeiten zu erreichen, setzen chinesische Unternehmen auf reibungslos durchorganisierte Supply-Chains – und stoßen sich an der Fragmentierung in Europa. Unterschiedliche Zollprozesse, ein zersplittertes Anbieterfeld und zahlreiche Beschränkungen gelten ihnen als Hemmnis. Ihre Antwort darauf ist der Aufbau eigener integrierter Logistikstrukturen, in denen sie Kontrolle über jeden Schritt haben. Für die Immobilienbranche bedeutet das: Gefragt sind großflächige, multifunktionale Lagerkomplexe, die als All-in-One-Hubs funktionieren.
Frankfurt (Oder) als Beispiel: Kompetenz für moderne Anforderungen
Ein zukunftsweisender Ansatz zur Anpassung an die steigenden Anforderungen internationaler Logistikakteure zeigt sich an Standorten, die frühzeitig auf Spezialisierung und regulatorische Komplexität vorbereitet wurden. Dort wurden bereits Flächen entwickelt, die nicht nur moderne Distributionsanforderungen erfüllen, sondern auch technisch und rechtlich in der Lage sind, hochsensible Güter wie Lithium-Ionen-Akkus zu lagern und zu verarbeiten. Die Lagerung solcher Gefahrgüter erfordert eine außergewöhnlich enge Abstimmung zwischen Projektentwicklern, Behörden und Nutzern. Genau hier hat sich Frankfurt (Oder) eine Kompetenz erarbeitet, die künftig Gold wert sein dürfte. Die lokalen Behörden kennen die Anforderungen, und die vorhandene Infrastruktur ist auf solche Hightech- und Spezial-Produkte ausgelegt.
Für chinesische E-Commerce-, Batterie- sowie Automotive-Unternehmen, die vermehrt Elektrogeräte, E-Fahrzeuge oder Batterietechnik nach Europa bringen, sind das entscheidende Faktoren. Sie suchen Standorte, die sofort einsatzbereit sind und auch spezielle Logistikanforderungen meistern – sei es der Umgang mit Gefahrgütern wie Akkus oder die schnelle Anbindung an internationale Verkehrswege. Frankfurt (Oder) bietet als Standort obendrein kurze Wege in Richtung Osteuropa und China (Stichwort Neue Seidenstraße), was für Importeure aus dem Reich der Mitte attraktiv ist. Die Nachfrage nach großen, zukunftsfähigen Logistikflächen ist klar erkennbar. Dieses Beispiel sollte Schule machen, denn es zeigt: Mit vorausschauender Planung kann ein deutscher Standort exakt die integrierte Lösung bieten, die ein global agierender Kunde verlangt.
Strategische Vorbereitung ist jetzt gefordert
Was bedeuten all diese Verschiebungen nun für deutsche Entwickler und Logistikdienstleister? In erster Linie: proaktives Handeln. Sie dürfen nicht abwarten, bis sie die Welle überrollt, sondern müssen jetzt strategisch die Weichen stellen. Als Entwickler von Logistikimmobilien heißt das, integrierte Lösungen anzubieten. Das kann bedeuten, schon in der Planungsphase eng mit Logistikdienstleistern zusammenzuarbeiten, um einem potenziellen chinesischen Mieter ein Rundum-sorglos-Paket zu präsentieren: vom Gebäude über das Logistikkonzept bis zum operativen Betrieb alles durchdacht und aus einer Hand.
Quelle und Bildquelle: ALCARO Invest GmbH