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Logistikimmobilien


           die wir haben. Auch die Nutzer-Soziologie ist extrem un-
           terschiedlich, sie reicht vom Startup bis zum Trader, der
           renditegetrieben agiert.

           ? Wenn Sie auf das noch relativ junge 21. Jahrhundert blicken: Was
           hat sich in den vergangenen 25 Jahren in der Immobilienwelt am
           drastischsten verändert?

           Politische Ignoranz


           AS: Die Jahre von 2009 bis 2022 waren ein heftiger Ein-
           schnitt in den normalen Zyklus. Wir hatten Wachstum
           in den Bereichen Wirtschaft, Bevölkerung und Beschäf-
           tigung. Alles angetrieben von der Niedrigzins-Phase. Für
           Deutschland war entscheidend, dass die im Euro-Raum
           vorherrschende Austerität beispielsweise eine Stadt wie
           Berlin zu einem der weltweit begehrtesten Anlageplätze
           gemacht hat.
               Ebenfalls einschneidend ist die politische Ignoranz.
           Früher gab es eine aktive Baupolitik. Momentan wird die-  lung von Immobilien für die Versorgung der Menschen.   Andreas Schulten,
           se Funktion eher von den Medien erfüllt. Allerdings ne-  Mit dieser Krise gehen wir nicht gut um.   Diplom-Geograf und
                                                                                                     Urgestein der Immo-
           gativ. Beispiel Wohnbauprojekte: Es dauert in der Regel                                   bilienbranche
           nicht allzu lang, bis in den Schlagzeilen von Gentrifizie- Die nächsten Investoren
           rung gesprochen wird. Man kann es nicht anders sagen:
           Immobilien stehen derzeit am Pranger. Das geht nicht  ? Ist für Sie ein Ende der aktuellen Krise in Sicht?
           mehr lange gut.
                                                        AS: Es geht im Kern um die Frage, wann die nächste Pha-
                                                        se kommt und wie sie aussieht. Wer sind die Investoren
           ? Macht KI demnächst große Teile des Immobilien Researchs über-  der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre? Viele schwören
           flüssig?
                                                        auf Family Offices und Stiftungen. Ich glaube auch, dass
           AS: Viele Researcher werden in andere Bereiche auswei-  es nicht mehr die angelsächsisch geprägte Investorenwelt
           chen müssen. Grundsätzlich möchte ich betonen, dass  sein wird, die ein Jahrzehnt lang tonangebend war, indem
           eine KI in der Immobilienwelt immer auf den jeweiligen  sie auf das Wachstum der deutschen Wirtschaft und auf
           Markt und das jeweilige Milieu abgestimmt sein müss-  einen bestimmten Immobilientyp gewettet hat. Für mich
           te, um valide zu sein. Wir werden also erst einmal viele  ist aber die eigentlich entscheidende Frage: Wohin trans-
           KIs sehen, die mehr oder weniger zutreffende Aussagen  formieren wir die Immobilienmärkte? Das wird spannend
           zu spezifischen Immobilienmärkten treffen werden. Wer  zu beobachten sein.
           prüft  die  Ergebnisse?  KI  ist  kontextabhängig,  und  wir
           müssen diesen Kontext immer wieder berücksichtigen  ? Wenn Sie die wichtigsten Lehren aus der Vergangenheit ziehen:
           und erklären.                                Welche drei Kardinalfehler sollte die Immobilienbranche in Zukunft
                                                        auf jeden Fall vermeiden?
           ? Warum kann die Immobilienwirtschaft mit Krisen nicht vernünftig     AS: Wir sollten eine größere Anzahl an Menschen teilha-
           umgehen?
                                                        ben lassen an den Chancen und Risiken einer Immobilie.
           AS: Der von institutionellen Akteuren bestimmte Teil  Wir brauchen in Deutschland eine höhere Eigentumsquo-
           der Immobilienwirtschaft ist absolut renditegetrieben.  te. Bei den wirtschaftlich genutzten Immobilien ist das der
           Mit Immobilien lassen sich in diesem Kontext quasi Ar-  Fall, das müssen wir auf die Wohnimmobilien übertragen.
           bitragegeschäfte machen, die immer mit hohen Risiken   Ein  zweites  Learning  lautet:  Wir brauchen mehr
           verbunden sind. Aber nochmal: 80 Prozent des Volksver-  Freiraum für Experimente wie den Gebäudetyp E, der
           mögens stecken in Immobilien, was den Begriff der Im-  zwar nur halbgut ist, aber in die richtige Richtung zeigt.
           mobilienwirtschaft doch etwas fragwürdig macht. Wenn   Drittens: Nehmen wir uns ein Beispiel an den Nie-
           man zudem den wirtschaftlichen Aspekt etwas ausblen-  derlanden, die ihr Baugesetzbuch um ein Drittel geschmä-
           det, dann geht es auch um Themen wie Daseinsvorsorge  lert haben. Wir haben zu viele Auflagen, die das Bauen
           durch die Schaffung von Wohnraum und die Bereitstel-  verteuern und verlängern.



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