Die Verteidigung des NATO-Gebiets kann nur gelingen, wenn Nachschub kommt. Munition, Verpflegung, Kriegsgerät und Soldaten müssen an die Front transportiert werden. Für Deutschland ist das eine Schlüsselaufgabe.
Die Rolle Deutschlands in der Verteidigungsstrategie der NATO hat sich seit den 1990er-Jahren stark gewandelt: Damals war Westdeutschland Frontstaat, mit direkter Grenze zum Warschauer Pakt. Bei einem Überfall aus dem Osten wäre Westdeutschland das Schlachtfeld gewesen. Die Bundeswehr und ihre Verbündeten hätten versucht, auf dem Gebiet der Bundesrepublik, die Truppen des Warschauer Paktes zurückzuschlagen.
Heute ist Deutschlands Lage eine andere: Im Osten liegen Länder wie Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die baltischen Staaten. Sie alle sind inzwischen der NATO beigetreten. In diesem vergrößerten NATO-Gebiet liegt Deutschland nicht mehr an der potenziellen Frontlinie, sondern in der Mitte.
Bei einem möglichen Überfall Russlands würden die Schlachtfelder also vermutlich östlich von Deutschland liegen, auf dem Gebiet der neuen NATO-Mitglieder, die eine direkte Grenze mit Russland oder dessen Verbündeten Belarus haben. Daraus ergibt sich auch die neue Rolle Deutschlands als Nachschubbasis. Der wesentliche Auftrag an die Bundesrepublik im Rahmen der NATO ist, dass der Aufmarsch und der Nachschub funktionieren. Deutschland ist die logistische Drehscheibe für die NATO. Ein großer Teil der Nachschubströme aus den USA, Süd- und Westeuropa treffen sich auf deutschem Gebiet und werden von dort aus auf die Frontabschnitte verteilt.
Auf diese neue Rolle haben Bundesregierung und Bundeswehr mit dem „Operationsplan Deutschland“ reagiert – einem Strategieplan für den Ernstfall. Vieles ist davon geheim, einige Eckpunkte wurden aber veröffentlicht: Soldaten, Waffen, Munition und Verpflegung, alles muss in Empfang genommen, untergebracht oder umgeladen werden. Zum richtigen Zeitpunkt geht es dann weiter an die Front im Osten. Das Prinzip ist nicht anders als bei einer zivilen Spedition, nur sehr viel größer.
Dazu kommt ein Strom in die andere Richtung: Flüchtlinge, Verwundete und Tote oder beschädigtes Kriegsgerät müssen zurück nach Deutschland transportiert werden. Insgesamt eine enorme Logistikleistung, die von einer Armee allein nicht zu bewältigen ist.
Im Ernstfall kann jeder herangezogen werden: Hilfsorganisationen, Ehrenamtliche, Firmen, die Zivilbevölkerung. In der Praxis ist es so, dass die Bundeswehr heute schon mit Hilfsorganisationen und privaten Dienstleistern verhandelt. Etwa bei der Errichtung von temporären Lagerplätzen, für Truppen auf der Durchreise: Eine private Firma hat den Auftrag, das Material für 17 solcher Raststationen zu beschaffen und bereitzuhalten. Streng geheim ist, wo im Ernstfall Raststationen entstehen, damit der Gegner sie nicht ohne Weiteres angreifen kann.
Auch Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz oder die Malteser sind mit der Bundeswehr im Gespräch. Sie sollen etwa Flüchtlinge aus umkämpften Gebieten versorgen oder verletzte Soldaten auf die Krankenhäuser verteilen.
Die Logistik ist ein wichtiger, aber nicht der alleinige Inhalt des „Operationsplans Deutschland“. Auch die Cybersicherheit oder die Verwendung von Reservisten ist hier geregelt. Außerdem wird der Operationsplan ständig weiterentwickelt.
Der Kern wird aber bleiben: Es geht um die Gesamtverteidigung im militärischen und zivilen Bereich. Sollte der Ernstfall eintreten, müssen alle Bürger Deutschlands wie auch in den anderen NATO-Staaten mithelfen – so sieht es der „Operationsplan Deutschland“ vor.
Quelle: LogReal World GmbH