Page 10 - LogReal.direkt_Ausgabe_2_2017
P. 10
: : Reportage
Ein Besuch beim „Tafelkönig“ Manfred Baasner
Stolz und Würde brauchen
kein Bankguthaben
Manfred Baasner ist einer von ihnen. Der ehemalige
KFZ-Fachmann lebt von einer eher schmalen Rente. Er
kennt die drängenden Sorgen seiner Kunden und hat
deshalb 1998 die Tafel Wattenscheid e.V. und in der Folge
zwei weitere dieser Einrichtungen in Bochum gegründet
(die Bochumer Tafel und die Kinder-Tafel). Der Watten-
scheider Tafelverbund, den er als Vorsitzender leitet, ist
der größte Deutschlands.
„Ich bin ein Flüchtlingskind aus Ostpreußen“, erzählt
Manfred Baasner. „Als ich nach dem Krieg ins Ruhrgebiet
kam, haben mich die amerikanischen Care-Pakete zu-
Der Watten- (tpo) Mitte Februar, auf einem ehemaligen Baumarktge- erst tief beeindruckt und dann mein ganzes Leben lang
scheider Tafel- lände in Bochum-Wattenscheid: Es ist neun Uhr morgens nicht mehr losgelassen.“ Die gesellschaftlichen Muster,
könig Manfred und ziemlich kalt. Der Betriebshof der Wattenscheider die gleichermaßen Gewinner und Verlierer sowie Armut
Baasner Tafel e.V. wird von der aufgehenden Sonne beschienen. mitten im Überfluss produzieren, haben sich für ihn seit
Sie lässt den Lack der ordentlich aufgereihten und blitz- der Nachkriegszeit nicht verändert. Aufgrund dieser Erin-
sauberen Lieferfahrzeuge glänzen. Einige fröstelnde nerungen und Erfahrungen ist es für ihn selbstverständ-
Mitarbeiter in Blaumännern begrüßen den Ankömmling lich, mit seinen Kontakten, Talenten und Energien etwas
und versammeln sich unter einem überdachten Meeting zu unternehmen für Menschen, die sich selbst verloren
Point, um ein Schwätzchen zu halten oder einfach nur haben und nicht mehr helfen können.
eine Zigarette zu rauchen. Frühstückspause.
Sein „Imperium“ in Wattenscheid besteht aus einem
Oben auf der Rampe steht ein Mann im Pullover. Mit 8.000 m² großen Areal. 6.000 m² sind überbaut und zum
Schiebermütze und dickem Schal ausgerüstet, ist er ins Teil unterkellert. Das Gelände und die Immobilien gehör-
Gespräch mit einem Mitarbeiter vertieft. Als er den Be- ten einst einem mittlerweile insolventen Baumarkt. Es
sucher bemerkt, hebt er kurz die Hand zum Gruß und
deutet freundlich in Richtung Büroeingang. Die Medien
nennen ihn respektvoll den Tafelkönig – und Manfred
Baasner, Jahrgang 1943, ist in der Tat eine Berühmtheit
in der Szene, die sich um Menschen kümmert, deren
schmales Einkommen nicht bis zum Ende eines Monats
reicht und die deshalb auf die gemeinnützigen Tafeln an-
gewiesen sind, um sich mit preiswerten Lebensmitteln
über die Runden zu bringen.
Ende März wurde Manfred Baasner
mit einem Steiger Award ausgezeichnet.
Dieser wird an Persönlichkeiten vergeben,
die besonderes Engagement u.a. in
den Bereichen Toleranz und Charity
10 LogReal.Direkt gezeigt haben.