Page 9 - LogReal.Direkt_Ausgabe-5.2024
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Logistik
... sich europäische Akteure, die Technologien für
autonome Fahrzeuge entwickeln, bereits aus dem
Markt zurückziehen. Dies betrifft insbesondere die Weiter-
entwicklung der Leistungsfähigkeit von Hard- und Software
im Level 4-Bereich (z. B. Sensorik, Signalverarbeitung oder
Systemkomponenten wie Steer-by-Wire-Architekturen).
Darüber hinaus arbeitet die Industrie an betrieblichen
Softwarelösungen, um nicht nur die Fahr- und Lenkaufgabe
zu automatisieren, sondern auch sämtliche Fahrnebenauf-
gaben wie z. B. Fahrgastsicherheit, Kommunikation mit Leit-
stelle und Fahrgästen, Notfallmanagement sowie technische
Prototyp (von unserem Titelbild) vollständig fahrerlos Kontrolle und Fahrzeugüberprüfung.
auf öffentlichen Straßen.
Die Spediteure sind allerdings immer noch skeptisch Hohe Anlaufkosten
aufgrund der hohen Investitionen. Aber als Antwort auf Die Einführung der neuen Technologie ist in der aktuellen
den Fahrermangel und die Aussicht, den Lkw rund um die Einführungsphase mit sehr hohen, teils einmaligen Anlauf-
Uhr ohne Ruhezeitenausfälle betreiben zu können sowie kosten verbunden, die sich in mehreren Bereichen zeigen:
Einsparungen durch geringere Kraftstoffkosten und weni- Fahrzeugkosten: Entwicklungs- und Herstellungskos-
ger Unfälle könnte die Branche langfristig schwach wer- ten für autonome Fahrzeuge sind hoch. Aufgrund regula-
den – vielleicht sogar schneller als gedacht. torischer Beschränkungen, unzureichender Planbarkeit des
Absatzes und damit fehlender Skaleneffekte sind die Preise
„Betriebskosten sinken um mehr als 34 Prozent“ für autonome Fahrzeuge auf absehbare Zeit vergleichsweise
hoch, was die Anschaffung insbesondere für Betreiber mit
Das führt uns zurück zu dem eingangs erwähnten Pa- kleinem finanziellem Spielraum und Kommunen erheblich
nel im Rahmen der IAA Transportation. „Autonomes erschwert.
Fahren ist keine Sache, die Jahrzehnte entfernt ist. Wir Gebietserschließungskosten: Der neue Genehmigungs-
werden eine schrittweise Entwicklung sehen, die voraus- prozess, die oftmals notwendige umfangreiche Kartener-
sichtlich 2035 in vollständig ausgereiften Fahrzeugen stellung und die notwendige vor Ort Unterstützung durch
münden wird“, glaubt Andreas Girisch, Partner bei Bos- Anbieter treiben die Kosten in die Höhe. Die daraus resul-
ton Consulting Group. „Das Segment der Premium-Pkw tierenden hohen Kosten für den Einsatz autonomer Ver-
wird als Early Adopter fungieren. Wir erwarten bereits kehrsmittel sind für Kommunen und Betreiber aufgrund der
am Ende des Jahrzehnts vollständige Autobahnabdeckung aktuellen Haushaltslage und generell gestiegenen Kosten oft
und somit autonom gesteuerte Fahrten mit dem Pkw von nicht finanzierbar.
bspw. München nach Amsterdam. Für die Transportbran- Betriebskosten: Betreiber konventioneller Linien- und
che sehen wir ebenfalls im Long Haul-Bereich große Po- Linienbedarfsverkehre müssen aufgrund geänderter techno-
tenziale. Autonomes Fahren verspricht eine Reduzierung logischer und regulatorischer Anforderungen für den Betrieb
der Gesamtbetriebskosten um mehr als 34 Prozent bei autonomer Fahrzeuge neue Prozesse entwickeln. Diese füh-
gleichzeitiger Verdoppelung der Fahrzeugverfügbarkeit.“ ren initial zu höheren Kosten; diese können i.d.R. erst über
die Zeit, z. B. basierend auf gesammelten Erfahrungen opti-
„Die autonome Straße entlastet die Güterbahn“ miert werden. Zudem erfordert die Neuartigkeit der autono-
men Technik insbesondere in der ersten Phase umfassenden
Einen positiven Ausblick mit einem Schlenker zum The- Support durch alle beteiligten Akteure, was anfangs höhere
ma „Logistikimmobilien“ liefert auch Dr. Thomas Stein- Betriebskosten bedeutet.
müller von Afilog: „Das autonome Fahren wird die Logis-
tik maßgeblich in Richtung der Automatisierung und der
Digitalisierung begleiten. Für Logistikimmobilien gilt es, Fazit
die Voraussetzungen für die automatischen An- und Ab- Sowohl bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge als auch
docktechniken zu schaffen und ggf. über automatisierte bei deren Erprobung im Betrieb läuft Deutschland derzeit
Be- und Entladetechniken nachzudenken. Im Güterfern- Gefahr, in dieser Schlüsseltechnologie international abge-
verkehr hat das autonome Fahren durchaus das Zeug dazu, hängt zu werden. Deutschland darf nicht in eine Situation
die Bahn im Stückgut und im kombinierten Verkehr zu geraten, wie sie 2011 der deutschen Photovoltaikindustrie
entlasten und die Straße noch effizienter zu gestalten.“ widerfahren ist.
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