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Logistik



                      Professor Peter Klaus, D.B.A. Boston University, war
                      20 Jahre Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaft-
                      liche Logistik an der Universität Erlangen-Nürnberg und
                      Leiter der dortigen Fraunhofer Arbeitsgruppe. In der ers-
                      ten Phase seines Berufslebens arbeitete er in der Spe-
                      ditionswelt. Er ist bis heute der Logistikwirtschaft und
                      -wissenschaft eng verbunden. Die zitierte 2013er Studie
                      „City-Logistik. Bestandsaufnahme relevanter Projekte
                      des nachhaltigen Wirtschaftsverkehrs in Zentraleuropa“
                      der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services
                      in Nürnberg ist erhältlich unter www.scs.fraunhofer.de

                      Nicht zuletzt erkannten Berater, Ingenieurbüros und Wis-  Sanfte  Transporttechnologien:  Der  Ersatz  von  Diesel-
                      senschaftler (der Autor nicht ausgenommen) darin inter-  Lkw und -Transportern durch Elektrofahrzeuge macht
                      essante neue Fördergeld-, Geschäfts- und Auftragspoten-  Fortschritte, auch in der City Logistik. Gäbe es eine Hit-
                      ziale und ließen sich gern von dieser Welle mit tragen.   liste der am meisten promoteten alternativen Fahrzeu-
                                                                   ge für die Städte, dann stünden Lastenfahrräder heute
                      Mit Beginn der 2000-er Jahre ebbte die Zahl neuer
                                                                   auf Platz eins. Aber die Frage, wie groß der tatsächlich
                      Projekte  und  Veröffentlichungen  zum  Thema  „Urban
                                                                   erreichbare quantitative und qualitative Beitrag einer
                      Logistics“ für eine Weile ab, wie die Abbildung auf Seite 7
                                                                   künftigen urbanen Logistik durch sanftere  Transport-
                      aus einer Veröffentlichung des Fraunhofer SCS von 2013
                                                                   technologien sein kann, ist nicht beantwortet.
                      illustriert.
                                                                   City-Hubs: Die Idee der Einrichtung innerstädtischer
                      Das dürfte damit zu tun gehabt haben, dass andere
                                                                   Güterbündelungs- und Umschlagpunkte wurde schon
                      Themen und Ereignisse, wie die Entwicklung des Inter-
                                                                   in zahlreichen Projekten der 90er Jahre getestet.
                      nets, die weiteren Herausforderungen der Digitalisie-
                                                                   City Hubs versprechen die Reduzierung der Zahl von
                      rung und die weltweite  Wirtschaftskrise von 2008/09
                                                                   Lkw-Einfahrten in die Innenstädte und notwendiger
                      die Aufmerksamkeit der Akteure in der innerstädtischen
                                                                   Auslieferstopps. Sie sind notwendige Voraussetzung für
                      Wirtschafts- und Verkehrspolitik auf sich zogen. Wahr-
                                                                   den Einsatz von Lastenfahrrädern und fußläufiger Kun-
                      scheinlich spielten aber auch Ernüchterung und Frus-
                                                                   denbedienung auf den letzten Metern.
                      tration bezüglich der ausbleibenden Erfolge der ersten
                      Welle von City Logistik Projekten eine Rolle. Eine Bilanz   Aktuelle Konzepte sehen dafür u.a. die intelligente, zeit-
                      der Nürnberger Fraunhofer Arbeitsgruppe zu den Erfol-  weilige Nutzung von Parkhausflächen vor, die Umnut-
                      gen von 46 gut dokumentierten City Logistik Projekten,   zung obsoleter Einzelhandelsimmobilien oder auch den
                      die zwischen 1990 und 2010 realisiert worden waren,   Bau automatisierter Hightech Facilities.

                      zeigte, dass im Jahr 2013 nicht mehr als acht noch aktiv
                                                                   Aber jede denkbare Variante der City Hub-Konzepte be-
                      waren. Soweit heute übersehbar, konnte sich kein einzi-
                                                                   deutet, dass sehr hohe Investitionen und die Kosten und
                      ges dieser Projekte auf Dauer etablieren. Als wichtigster
                                                                   Zeitverluste einer zusätzlichen Stufe des Güter- und Da-
                      Grund dafür wurde mangelnde Wirtschaftlichkeit bzw.
                                                                   tenhandlings kompensiert werden müssen.
                      das Auslaufen der jeweiligen öffentlichen Förderung er-
                      mittelt. Anders interpretiert: Es fehlten eindeutig fühl-   Reengineering von City-Versorgungsprozessen: Als Al-
                      und messbare Erfolge bezüglich der erwarteten Stau-,   ternative zu ortsfesten City Hubs werden mobile Con-
                      Emissions-, Park- und Verkehrsraum-Entlastungswirkun-  tainer- und Zufahrtslösungen getestet, wie z.B. das tem-
                      gen, die die Aufwände hätten rechtfertigen können.   poräre Abstellen von  Wechselbrücken an reservierten
                                                                   Standplätzen in der Innenstadt. Damit sind kurzfristig
                      Die zweite Welle: Startups, Digitalisierung   umsetzbare, flexible und individualisierbare Lösungen
                      und Ökologisierung der urbanen Logistik      realisierbar, die aber eine unkonventionelle Unterstüt-

                                                                   zung der zuständigen Behörden und Anlieger erfordern.
                      Dennoch ist heute eine  mächtige zweite  Welle von
                      Initiativen für die urbane Logistik der Zukunft zu be-  Visionen vom City Transport auf Schienen und im Unter-
                      obachten.  Dutzende Startup-Unternehmen  und neue   grund:  Es wurden und werden noch weiter reichende
                      F&E-Projekte versprechen Innovation und neue  Visi-  Visionen verfolgt, wie eine urbane Logistik der Zukunft
                      onen. Es sind fünf prinzipielle Ideen, die sich in diesen   auf Tram- oder U-Bahn-Trassen oder neu zu erstellen-
                      Ansätzen erkennen lassen:                    den Tunnelnetzwerken im Untergrund der Städte, wie



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