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Logistik | Special Bahn
Negativ ist die Entwicklung bei den Gleisanschlüssen,
deren Zahl nach Berechnungen des VDV von ca. 11.000
in 1997 auf ca. 2.000 gesunken ist. Reduziert wurden
auch öffentliche Infrastrukturen, die für die Bedienung
von Gleisanschlüssen erforderlich sind. Im Laufe der
Jahre wurden somit immer mehr Standorte von der
Schiene abgekoppelt bzw. gar nicht erst erschlossen.
Die Lücke schloß der LKW, der im Vor-/Nachlauf zu
den KV-Terminals die Sammler-/Verteilerfunktion in
der Fläche übernommen hat. Man hat also – bildlich
gesprochen – kleinere Flüsse und Bäche im großen Stil
trockengelegt:
In der Logistik scheint der Trend aber in eine andere
Richtung zu gehen. Standorte in den Ballungsgebieten
werden immer knapper und teurer. Und sie erzeugen
zunehmend Widerstand aus der Bevölkerung. Alterna-
tiven sind freie und günstigere Flächen am Rande der
Ballungsgebiete oder sogar im ländlichen Raum. Diese
Standorte sind aber in der Regel über die Schiene nicht
(mehr) oder nur schlecht zu erreichen. In selten Fällen
verfügen diese Standorte über einen eigenen Gleisan-
schluss und es gibt keine Alternative zum LKW.
Was bedeuten diese Entwicklungen für die Vermieter/
Betreiber von Logistikimmobilien? Fügt man die beiden
Entwicklungen zu einem Gesamtbild zusammen, drängt
sich automatisch die Frage auf, ob Logistikstandorte ab-
seits des Kernnetzes der Eisenbahnen überhaupt einen
eigenen Gleisanschluss benötigen oder besser über die
Straße an den KV angebunden werden. Würde die Frage
rein betriebswirtschaftlich gestellt, wäre die Antwort
wohl eher „Nein, auf einen eigenen Gleisanschluss kann
verzichtet werden. Nutzt besser den KV.“
Aber was passiert in den nächsten 10 bis 20 Jahren,
wenn die Klimaziele im Verkehrssektor doch nicht er-
reicht werden und die Restriktionen im Verkehrsbereich
weiter zunehmen? Sind dann die Logistikstandorte im
Vorteil, die einen eigenen Gleisanschluss haben oder
sich in direkter Nähe zu einem Umschlagterminal befin-
den? Würde die Frage also strategisch gestellt, lautet die
Antwort eher „Die Option eigener Gleisanschluss oder
KV-Terminal in der Nähe könnte eine Investition in die
Zukunft sein. Besser die weiteren Entwicklungen abwar-
ten.“
Foto: ©iStock.com/querbeet
Die Schiene soll einen zentralen Beitrag zum Klimaschutz leisten und Die Frage „eigener Gleisanschluss ja oder nein“ kann
zusätzliche Mengen aufnehmen. Die Verkehrspolitik strebt einen also nicht pauschal beantwortet werden. Um dennoch
Anteil am Modal Split von über 25 % an. Das bedeutet voraussichtlich eine passende Entscheidungsgrundlage für den Einzel-
eine Verdoppelung des heutigen Volumens. In den letzten 25 Jahren fall zu finden, empfiehlt der VDV die Prüfung folgender
ist bereits eine Verdoppelung gelungen, allerdings ohne Zuwächse Fragen: Welche Transportsysteme der Eisenbahnen ste-
beim Modal Split. Während der Kombinierte Verkehr (KV) regelrecht hen am Standort zur Verfügung?
explodiert ist, konnte der Wagenladungsverkehr (Güter werden direkt Um die Zukunftsperspektive eines eigenen Gleisan-
in/auf Güterwagen verladen) kaum wachsen. schlusses bewerten zu können, lohnt sich eine genauere
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