Page 15 - LogReal.direkt_Ausgabe_5_2018
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Logistik : :


          raturen – bei technischen Betriebsmitteln wie Staplern,  welches wiederum dem Nahverkehrsdisposystem des
          CNC-Maschinen oder Kassensystemen übrigens nichts  Logistikdienstleisters meldet, das dann den autonomen
          Neues, einerseits.                            Lkw losschickt? Und wenn dies so kommen sollte: Wer-
                                                        den Maschinen im Interesse der Menschen Entscheidun-
          Andererseits werden jedoch parallel auch mehr und mehr  gen fällen? Oder in ihrem eigenen Sinne, was auch immer
          (ungefährliche) Jobs einfachster Prägung, die heute noch  das sein wird. Oder gar im Sinne des Systems Erde? In die-
          vom Heer der Ungelernten und Geringqualifizierten ei- sem Fall müsste die Entscheidung allerdings lauten, die
          ner Gesellschaft durchgeführt werden, automatisiert.  Hälfte der Menschheit auszurotten, um das Ökosystem
          Auch dies ist keine Neuigkeit, vergleicht man die Produk- Erde zu bewahren. (Übrigens immer noch eine bessere
          tion von heute mit der vor 20 oder 30 Jahren mit dem  Situation als in Schätzings neuem Buch „Die Tyrannei des
          Wegfall Hunderttausender Jobs.                Schmetterlings“, das übrigens genau dieses Thema zum
                                                        Inhalt hat.)
          Das Problem: Bislang gibt es noch einen Arbeitsmarkt
          für eben diese Ungelernten und Geringqualifizierten: Als  Man muss sich nichts vormachen: Es gibt unzählige (be-
          Hilfsarbeiter auf dem Bau, bei der Straßenreinigung, in  triebliche) Prozesse, die nicht nur langweilig, weil repe-
          der Lagerwirtschaft, in der Gastronomie, in der Sicher- titiv, sondern auch massiv fehleranfällig sind, da ein
          heitsbranche. Was wird aber sein, wenn mehr und mehr  Mensch Regie führt. Ein Algorithmus, der prognostiziert
                                                        und dabei in Echtzeit aktuelle Daten entlang einer Wert-
                                                        schöpfungskette in seine Entscheidung berücksichtigt,
                                                        wird genauere Mengen, exaktere Zeiten oder bessere
                                                        Routen wählen als ein Mensch, der in seinem Modell
                                                        immer vereinfacht. Das Bauchgefühl wird ersetzt durch
                                                        quantifizierbare, komplexe Regeln.


                                                        Zähe  und langweilige  Kontrollprozesse  können  mit  zu-
                                                        nehmender Rechnergeschwindigkeit und Ubiquität von
                                                        Daten automatisiert werden. So ist beispielsweise die
                                                     ©cyrano/Fotolia  überstellen von Auftrag und Lieferung unter Berücksich-
                                                        Rechnungsüberprüfung nichts anderes als das Gegen-

                                                        tigung von Vertragsbestandteilen.  Wenn eine Sendung
                                                        in Form von Kartons auf einer Palette im Wareneingang
          Kommissionierroboter zum Einsatz kommen? Wenn au-  per Scan oder RFID erfasst wird, können selbstverständ-
          tonome Kehrmaschinen unterwegs sind? 3D-Drucker vor   lich heute schon Art und Anzahl der Kartons – oder gleich
          Ort Häuser drucken? Und was wird – um zu den kauf-  die der Waren in den Kartons – einerseits mit dem Auf-
          männischen Berufen zu kommen – aus den Millionen an   trag und andererseits mit den Stammdaten, beispiels-
          Disponenten, Einkäufern, Rechnungsprüfern, kurz: den   weise dem Gewicht, abgeglichen werden. Warum sollte
          Sachbearbeitern und dem mittleren Management? Der   das künftig nicht komplett ein Algorithmus machen, der
          gesellschaftliche Mittelstand – alle Zeichen sprechen da-  Zugriff auf die Auftrags-, die Wareneingangs-, die Rech-
          für – verliert seine berufliche Heimat.       nungs- und eben die Stammdaten hat?


          Unlängst hat der Autor einen Workshop moderiert, der   Man kann es kurz machen: Noch nie hat der Mensch in
          die Zukunft der Arbeitswelt im Allgemeinen und die der   seiner Evolution auf Entwicklungssprünge verzichtet
          Intralogistik im Speziellen zum Gegenstand hatte. Die al-  – schon gar nicht, um bestehende Berufe zu schützen.
          les beherrschende Frage – die selbstverständlich keiner   Wenn der Nachtwächter oder die Telefonistin ausgestor-
          beantworten konnte – war:  Was wird Industrie 5.0 (!)   ben sind (zumindest in der industriellen Welt), warum
          sein? Oder Industrie 6.0? Wenn heute schon Maschinen   soll der Fernfahrer oder der Lagerleiter bestehen bleiben?
          andere Maschinen versorgen und steuern, bauen dann
          künftig Maschinen  andere Maschinen?  Und dies, ohne   Am Ende dieser Entwicklung wird die Frage stehen, ob
          dass der Mensch Regie führt?                  der Mensch in der Wertschöpfungskette durch Automa-
                                                        tisierung und Digitalisierung nicht ganz obsolet sein wird
          Weiß dann der Kommissionierroboter, dass der autono-  – in einer Welt ohne Arbeit, bei höchster Produktivität
          me Lkw an der Warenausgangsrampe steht, weil das di-  und immerwährender Freizeit.
          gitale Regal im Supermarkt selbstständig einen Auftrag
          an das Warenwirtschaftssystem des Lieferanten meldet,


                                                                                                   LogReal.Direkt  15
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